Was bin ich bereit zu geben?

Daniel Vassen März 2020

Wie gerne würden wir etwas anderes hören, lesen und sehen als immer nur «Corona-Virus.» Doch Experten warnen und Politiker, Organisationen und Bürger diskutieren Massnahmen und treffen Entscheidungen. Und auf einmal geht es nicht nur um Händewaschen und Hygiene, sondern auch um Verantwortung, Nähe und Schutz. Und so führt uns das Virus vor Augen, wie verwundbar und zerbrechlich unser Leben ist.

Das ist keine neue Erkenntnis. Aber ich frage mich, wie wir damit umgehen. Was ist unsere Antwort auf eine Krankheit, die uns lehrt auf Distanz zu gehen? Das Corona-Virus ist anders als andere Katastrophen, die wir kennen. Es kommt uns viel näher. Es bleibt nicht bei Bildern auf dem Bildschirm. Es verändert unser Leben. Kranke und Verdächtige sind in Quarantäne. Wir geben uns nicht mehr die Hände. Sagen unsere Ferien und auch Veranstaltungen ab. Regale sind leer gekauft. Wir meiden den ÖV. Und jetzt?

Wer schafft die notwendige menschliche Nähe?
Wir warten auf die guten Nachrichten. Wir hoffen, dass wir jetzt in Sicherheit sind. Doch genügt das schon? Genügen uns die vollen Vorratskeller, klare Regeln und ein funktionierendes Gesundheitssystem, um uns zu beruhigen und uns Sicherheit zu geben? Genügt es uns, dass wir in Sicherheit sind? Die Anweisungen des BAG sind gut. Sie schaffen die medizinisch notwendige Distanz. Aber wer schafft die notwendige menschliche Nähe? Wer kümmert sich eigentlich um die, die zu der Risikogruppe gehören? Wer sucht Kontakt zu denen, die krank und schwach sind? Wer ermutigt die, die transplantiert und immunsupprimiert sind? Wer ruft an und fragt nach, wie es geht? Wer schreibt eine Postkarte, eine WhatsApp Nachricht oder bringt etwas zum Essen vorbei?

Jesus erzählt mal einem jüdischen Gesetzeslehrer eine Geschichte. Darin geht es um einen Ausländer, der bereit ist Liebe, Medizin, Zeit und Geld für einen Menschen zu investieren, der überfallen wurde und sich selbst nicht mehr helfen kann. Der Ausländer wird dabei zum Beispiel für Nächstenliebe. Nicht weil der Überfallene sein bester Freund war. Sondern weil der Ausländer sich dafür entschied, die Not nicht zu ignorieren und die Mittel, die er hatte für das hilflose Opfer eines Überfalls einzusetzen.

Wir brauchen Ideen kreativer Nächtenliebe
Auf seine Facebook-Account hat Samuel Koch, ein deutscher Schauspieler der seit einem schweren Unfall bei «Wetten dass» im Rollstuhl sitzt, «mehr Mutausbrüche» statt Angst, Panik und Wut gefordert. Das finde ich gut. Und ich frage mich, wie solche Mutausbrüche in unserer Gesellschaft aussehen könnten. Die Geschichte des Ausländers, die Jesus erzählt hat provoziert bei mir die Frage: Was bin ich bereit zu geben? Könnte es sein, dass wir die Sicherheits-Regeln des BAG ergänzen müssten mit einigen Ideen kreativer Nächstenliebe? Was wäre, wenn wir Desinfektionsmittel und Schutzmasken aus dem persönlichen Vorrat denen zur Verfügung stellen, die es wirklich brauchen?